Vom inneren Chaos zum inneren Team: IFS bei Komplexer Posttraumatischer Belastungsstörung (kPTBS)

Trauma kann viele Gesichter haben. Manche Menschen erleben ein einzelnes, schockierendes Ereignis – einen Unfall, eine Naturkatastrophe oder Gewalt. Andere wachsen in einem Umfeld auf, in dem sie über Jahre hinweg emotional verletzt, vernachlässigt oder beschämt wurden. Gerade bei diesen wiederholten, oft frühen Verletzungen sprechen wir von komplexer posttraumatischer Belastungsstörung (kPTBS) – und sie ist in der therapeutischen Arbeit noch immer eine Herausforderung.


In diesem Beitrag möchte ich dir zeigen, was kPTBS eigentlich ist, wie sie sich von der „klassischen“ PTBS unterscheidet – und warum der Ansatz des Internal Family Systems (IFS) eine so vielversprechende Möglichkeit ist, mit komplexen Traumafolgen zu arbeiten.

Was ist eine komplexe PTBS?

Die komplexe posttraumatische Belastungsstörung (kPTBS) – Der Name klingt sperrig – und genau das ist sie auch: komplex, tief, herausfordernd.. Sie entsteht meist durch wiederholte Traumatisierungen, vor allem in Kindheit und Jugend: emotionaler oder körperlicher Missbrauch, sexualisierte Gewalt, Bindungsabbrüche oder Vernachlässigung.

 

Die Symptome gehen oft weit über die bekannte „PTBS-Symptomtrias“ hinaus (Flashbacks, Vermeidung, Übererregung). Menschen mit kPTBS kämpfen häufig mit:

  • anhaltenden Affektregulationsstörungen – also plötzlichen Gefühlsschwankungen, innerer Taubheit oder emotionaler Überflutung
  • einem negativen Selbstbild, das von Scham, Schuld oder Selbsthass geprägt ist
  • zwischenmenschlichen Schwierigkeiten, wie tiefem Misstrauen, Angst vor Nähe oder ständiger Überanpassung
  • Dissoziation, Depression, Schlafstörungen, psychosomatischen Beschwerden oder Sucht

Viele Betroffene sind jahrelang auf der Suche nach einer wirksamen Behandlung – und erleben immer wieder Rückschläge oder das Gefühl, dass „klassische“ Methoden nicht wirklich helfen.

IFS – ein neuer Blick auf alte Wunden

Hier kommt Internal Family Systems (IFS) ins Spiel – ein psychotherapeutischer Ansatz, der sich in den letzten Jahren auch im Bereich der Traumatherapie immer stärker etabliert hat. Das Besondere an IFS: Es geht nicht um Diagnosen oder Störungen, sondern um innere Anteile.

 

IFS geht davon aus, dass wir alle verschiedene innere „Persönlichkeitsanteile“ in uns tragen – auch „Teile“ genannt. Manche tragen alte Verletzungen, andere versuchen, uns zu schützen. Ein paar Beispiele:

  • Ein ängstlich-panisches Kind in dir, das sich zutiefst verlassen fühlt.
  • Ein kritischer Teil, der dich ständig antreibt, abwertet oder beschämt.
  • Ein reaktiver Anteil, der dich mit Essen, Alkohol, Sex, Serien oder Rückzug betäubt, wenn alte Verletzungen angetriggert wurden und alles zu viel wird.

In der IFS-Therapie geht es nicht darum, diese Anteile loszuwerden – im Gegenteil. Sie werden wertschätzend betrachtet, in ihrer Funktion verstanden und nach und nach in Beziehung zum inneren Selbst gebracht: einer Instanz in dir, die ruhig, mitfühlend, mutig, verbunden und weise ist.

Warum gerade IFS bei komplexer PTBS so hilfreich sein kann

Menschen mit kPTBS erleben ihre Psyche oft als chaotisch, zerrissen oder unverständlich. Viele kennen das Gefühl, sich selbst nicht mehr zu spüren – oder in bestimmten Situationen regelrecht von Gefühlen und extremen körperlichen Reaktionen „überflutet“ zu werden.

 

IFS bietet hier einen zutiefst respektvollen Zugang, der:

  • nicht konfrontativ arbeitet (keine erzwungene Traumakonfrontation)
  • Selbstwahrnehmung und Selbstmitgefühl stärkt
  • mit Dissoziation integriert statt dagegen zu kämpfen
  • einen inneren Dialog aufbaut – statt von außen etwas „hineinzutrainieren“
  • dazu ermutigt, die eigene Geschichte in Beziehung zu den inneren Teilen zu bringen

Gerade das Erleben, nicht mehr allein zu sein mit dem Schmerz, sondern langsam ein inneres Teamgefühl zu entwickeln – mit dem Selbst als wohlwollende Führung – wirkt auf tiefer Ebene heilend.

Was sagt die Forschung?

Im Jahr 2022 wurde eine spannende Pilotstudie zur Wirksamkeit von IFS bei komplexer PTBS veröffentlicht (Hodgdon et al., 2022, Internal Family Systems (IFS) Therapy for Posttraumatic Stress Disorder (PTSD) among Survivors of Multiple Childhood Trauma). 

 

Die Studie untersuchte Erwachsene mit PTBS und nachgewiesenen Kindheitstraumata, die über 16 Sitzungen hinweg IFS-Einzelsitzungen à 90 Min. erhielten.

 

Die Ergebnisse waren beeindruckend:

  • 92 % der Teilnehmenden erfüllten nach der Therapie nicht mehr die Kriterien der PTBS-Diagnose 
  • Große Verbesserungen bei Depression, Dissoziation, Selbstwahrnehmung und Affektregulation
  • Stärkere Werte für Selbstmitgefühl und bessere interozeptive Wahrnehmung (also Körperwahrnehmung von innen)
  • Die Effektstärken der Verbesserung waren teils sogar höher als bei klassischen PTBS-Verfahren

Zwar war die Studie klein und ohne Kontrollgruppe – aber sie liefert starke Hinweise darauf, dass IFS ein vielversprechender Weg für komplex traumatisierte Menschen sein kann.

Fazit: Heilung durch Beziehung – innen wie außen

IFS ist kein schneller Trick. Es ist ein Prozess. Einer, der dich zurückführt in eine freundlichere Beziehung zu dir selbst. Einer, der nicht darauf beruht, dass du „endlich funktionierst“, sondern dass du deine inneren Welten verstehst, fühlst und beheimatest.

 

Gerade bei komplexer PTBS – bei inneren Systemen, die jahrzehntelang auf Überleben programmiert waren – ist das ein zutiefst heilsamer Ansatz. Sanft, aber tief. Klar strukturiert, aber voller Mitgefühl.

 

Ich arbeite täglich mit Menschen, die diesen Weg gehen. Und ich weiß: Auch wenn der Weg lang ist – Heilung ist möglich. 

Du möchtest mehr über IFS erfahren oder suchst therapeutische Begleitung?

Dann melde dich gerne – ich begleite dich mit Herz, Klarheit und dem Vertrauen darauf, dass in deinem Inneren mehr Weisheit ruht, als du vielleicht glaubst.

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